Irgendwie – Irgendwo – Irgendwann

Foto: Helmut Wolff

Mobile Arbeit bringt Chancen und Risiken: Eine neue Broschüre soll BetriebsrätInnen dabei unterstützen die veränderte Arbeitswelt aktiv mitzugestalten.

Bereits seit einigen Jahren lässt sich ein Vordringen digitaler Technologie in immer weitere gesellschaftliche Bereiche beobachten, was zu tiefgreifenden Veränderungen im privaten und öffentlichen Leben führt. Zunehmend erreicht die Digitalisierung nun auch die Arbeitswelt. Als Folge davon nimmt die Möglichkeit, „mobil“, also abseits fester Arbeitsplätze zu arbeiten, stetig zu.

Mithilfe von Laptops und Smartphones können viele Beschäftigte zu Hause, im Kaffeehaus oder sogar am Sandstrand Anrufe entgegennehmen, E-Mails beantworten, Texte verfassen oder auf andere Weise ihre Arbeitsleistung erbringen. Oft wird ein auf diese Weise mobiles Arbeiten von ArbeitgeberInnen gefördert und auch von den Beschäftigten als angenehm empfunden. Doch wo Wahlfreiheit und Gestaltungsspielraum als Privileg mobiler Arbeit versprochen werden, bleibt zuletzt oft maximale Verfügbarkeit der Beschäftigten übrig.

„Im Sturz durch Raum und Zeit, Richtung Unendlichkeit“

Immer schwerer lassen sich betriebliche und private Räume voneinander trennen, die Grenze zwischen (bezahlter) Arbeitszeit und (unbezahlter) Freizeit lässt sich in vielen Fällen nicht mehr klar ziehen. Die durch die Möglichkeit der mobilen Arbeit gewonnene Freiheit zu einer „Entgrenzung“ von Arbeit, die nun alle Lebensbereiche durchdringt und ein erholsames geistiges „Abschalten“ am Feierabend oder am Wochenende verhindert. Für viele ArbeitnehmerInnen ist es bereits zur Selbstverständlichkeit geworden, am Sonntagabend – natürlich unbezahlt – rasch ihre E-Mails auf dem Diensthandy zu checken oder eine Powerpoint-Präsentation für den nächsten Termin fertigzustellen. Mit dem so entstehenden Spannungsfeld beschäftigt sich die neue Broschüre der GPA-djp „Irgendwie – Irgendwo – Irgendwann. Zur Gestaltung mobiler Arbeit“, die in Zusammenarbeit mit engagierten BetriebsrätInnen des Beirates für Arbeit und Technik verfasst wurde und am 13. November 2018 im Rahmen einer Veranstaltung präsentiert wurde.

„Der Begriff der mobilen Arbeit ist schwer zu fassen und insofern mit jenem der Flexibilität zu vergleichen“, erklärte die Bundesgeschäftsführerin der GPA-djp, Agnes Streissler-Führer in ihrem Eröffnungsstatement. Zu Recht wünschten sich ArbeitnehmerInnen bewegliche, lockere und undogmatische Formen der Arbeitserbringung, letztlich sei Flexibilität jedoch gegen die Interessen der Beschäftigten gerichtet worden und zu einem Synonym für Deregulierung und Wirtschaftsliberalisierung umgedeutet worden.

„Irgendwie fängt irgendwann, irgendwo die Zukunft“

Es sei somit zentral, die Erscheinungsformen mobiler Arbeit und die damit verbundene Möglichkeit, Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen, mitzugestalten und im Sinne der Beschäftigteninteressen zu interpretieren. Die Zukunft solle daher nicht wie im 80er Jahre-Popsong von Nena „irgendwie, irgendwo und irgendwann“ anfangen, sondern jetzt und heute in den österreichischen Unternehmen, unter Beteiligung der Betriebsräte und der Beschäftigten.

Die Nutzung digitaler Technologie sei heute allgegenwärtig und keine bewusste Entscheidung mehr, schilderten Universitätsprofessor Jörg Flecker und sein Dissertant Dominik Klaus die technologischen Entwicklungen in der Arbeitswelt und ihre Auswirkungen auf die ArbeitnehmerInnen aus soziologischer Sicht. Ihre besondere Sorge gelte dabei der Gefahr der Entgrenzung – ob durch hohen Arbeitsdruck oder durch die Tendenz zur „Selbstausbeutung“ besonders engagierter Beschäftigter. Flecker und Klaus sprachen sich schon aus gesundheitlicher Sicht dafür aus, Arbeitszeit und Freizeit stärker voneinander abzugrenzen. Je flexibler und mobiler Beschäftigte arbeiten würden, desto gestresster seien sie auch.

Mobile Arbeit müsse rechtlich genau geregelt werden, ist Andrea Komar, die Leiterin der GPA-djp Bundesrechtsabteilung überzeugt. So gebe vielfach bereits das Gesetz Grenzen vor, die es jedoch auch zu achten gelte. Zugleich sei das Thema der mobilen Arbeit jedoch auch eines, das einer Aushandlung zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen bedürfe, teilweise durch einzelvertragliche Regelungen, teilweise durch Betriebsvereinbarungen.

Verena Spitz ist stellvertretende Zentralbetriebsratsvorsitzende bei der BAWAG-PSK und Vorsitzende des Beirates für Arbeit und Technik. Sie berichtete aus ihrer betriebsrätlichen Praxis aber auch von ihren persönlichen Erfahrungen mit der Nutzung unterschiedlicher Formen mobiler Arbeit. Zwar gebe es einen rechtlichen „Graubereich“, der sich ständig vergrößere, dennoch könne mobile Arbeit angenehmeres und autonomeres Arbeiten ermöglichen. Faire betriebliche Spielregeln seien dabei unerlässlich aber nicht hinreichend. Darüber hinaus müssten ArbeitgeberInnen auch das nötige Vertrauen zu ihren MitarbeiterInnen aufbringen, die dann nicht mehr ständig am Arbeitsplatz greifbar seien.

Faire Arbeit soll kein „Schloss aus Sand“ sein

Das Vordringen mobiler Arbeit ist keine natürliche Entwicklung, sondern kann und muss gesteuert und beeinflusst werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Interessen der Beschäftigten bestmöglich gewahrt und Selbst- oder Fremdausbeutung verhindert werden. Nur dann kann sichergestellt werden, dass der Einsatz mobiler Technologie zu besseren Arbeitsbedingungen führt und das Versprechen der mobilen Arbeit nicht, wie Nena singt, zum „Schloss aus Sand“ wird, das den Beschäftigten zwischen den Fingern zerrinnt.

Die Broschüre der GPA-djp versucht gerade in Bezug auf die sich stellenden rechtlichen Fragen konkrete Antworten zu geben. Sie knüpft an die in der GPA bereits seit 1994 laufende gewerkschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Telearbeit“ an. So werden die arbeits- und sozialrechtliche Grundlagen dessen, was bei unterschiedlichen Formen mobiler Arbeit zu beachten ist, ebenso dargestellt, wie die geltende Rechtslage im Hinblick auf Gesundheitsschutz, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitszeit- und Leistungskontrolle, sowie den Gebrauch privater Geräte als Arbeitsmittel. Die Broschüre versucht darüber hinaus, das Thema mobile Arbeit aus mehreren Blickwinkeln zu beleuchten: Aus Sicht von ArbeitnehmerInnen, Betriebsräten, Führungskräften und jener der Unternehmensleitung.

Michael Gogola, Isabel Koberwein, Claudia Kral-Bast, Irene Krenn, Fritz Spinka, Verena Spitz, Helmut Wolff: Irgendwie – Irgendwo – Irgendwann. Zur Gestaltung mobiler Arbeit, 58 Seiten, GPA-djp, Wien 2018.

(Beitrag zunächst erschienen auf KOMPETENZ-online)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

44 + = 54