CSR soziologisch

Der homo sociologicus-Blog widmet sich in seinem aktuellsten Beitrag unter dem Titel „CSR – Was ist das, wie geht das, wer macht das?“ dem Thema CSR – „soziologisch gesehen“. Dafür wird einigen grundlegenden Annahmen des CSR-Konzeptes nachgegangen und es finden sich Hinweise darauf, was CSR in Deutschland bringen kann. Zusätzlich wird noch von einem „Best Practice“-Beispiel berichtet. Den Abschluss des Artikels stellt eine kurze Blogschau zum Thema dar, die für weitere Erkundungen zum Thema interessant ist.

Einige inhaltliche Anmerkungen zum Artikel:
Für die Beurteilung des Grades, in welchem Unternehmen soziale Verantwortung im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit übernehmen bzw. berücksichtigen, wird ein Kontinuum zwischen den beiden Polen „Trittbrettfahrer“ und „Corporate Citizenship“ vorgeschlagen. Im Modell der CSR stellt die „Corporate Citizenship“ den positiven Wert dar:

„Neben ‚Steuern zahlen‘ oder ‚Arbeitsrecht beachten‘, werden dabei von immer mehr Menschen auch Dinge wie ‚Menschenrechte achten‘, ‚keine Kinderarbeit einsetzen‘ oder ‚unter umweltverträglichen Bedingungen herstellen‘ verstanden“.

Da CSR ein „freiwilliges“ Unterfangen seitens der Untenehmen darstellt, gilt es daher – so die Annahme – anhand der Beurteilung eines Unternehmens innerhalb des genannten Bewertungsspektrums nach Möglichkeiten zu suchen, die „freiwilligen“ Anstrengungen des Unternehmens in Richtung mehr sozialer Verantwortung zu forcieren. Der Blick fällt hier auf mündige KundenInnen, die „Kaufentscheidungen bewusster“ treffen.
Die Logik der Argumentation ist im Kern nachvollziehbar und stellt mit dem Verweis auf die Macht der KundInnen als MarktteilnehmerInnen einen seit langem diskutierten Handlungsansatz in den Mittelpunkt. Die Debatten drehen sich dabei unter anderem um Fragen des Warenboykotts, des Verfassens von KundInnenbeschwerden etc. (Siehe beispielhaft das „Schwarzbuch Markenfirmen“.)
Gerade soziologisch gesehen dürfte jedoch die – sicherlich verkürzt formulierte – Vereinfachung von Unternehmen auf „Bürger“ zu kurz greifen, um ein adäquates Bild der (Un-)Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Unternehmen und KundInnen auf der einen und jenen zwischen Unternehmen und wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf der anderen Seite zu erhalten. Unternehmen sind komplexe Organisationen, die im Rahmen der Eigenlogiken des Wirtschaftssystems agieren, das für sie den primären Bezugspunkt darstellt. Politische und rechtliche Aspekte stellen dabei sozusagen Rahmenbedingungen dar, die erst sekundär eine Rolle spielen, sozusagen außerhalb liegen („Umwelt“ ). Gerade dadurch entstehen die durch durch das Phänomen CSR behandelten Probleme, jedoch stellt diese Problemlösung weitgehend eine spezifisch wirtschaftliche bzw. der wirtschaftlichen Logik folgende dar.
Wesentlich ist daher nicht zuletzt der Verweis auf die Stakeholder eines Unternehmens. Durch sie erfolgt eine eigene Beurteilung des CSR-Konzepts, sodass dieses auch in anderen (politischen, rechtlichen etc.) Kontexten aufgegriffen werden kann. Inwieweit die von hier aus initiierten Prozesse im System der Wirtschaft selbst greifen, ist jedoch von außen nicht entscheidbar. Dass positive CSR-Werte – eruierbar zum Beispiel auf Basis eines Indikatorenkatalogs zur sozialen Verantwortung von Unternehmen – sich eindeutig als Markt- bzw. Wettbewerbsvorteil erweisen, stellt derzeit allerdings mehrheitlich eine Hoffnung eines Teils der maßgeblichen Stakeholder dar.

2 Kommentare:

  1. Nach langer Zeit komme ich endlich mal zu einer Reaktion. :-) Zunächst einmal danke für das weiterdenken. Da wir auf homosociologicus.de hauptsächlich soziologisch informierte Essays präsentieren, ist klar, dass wir in der Regel einen bestimmten Aspekt hervorheben müssen – und damit automatisch zu kurz greifen.

    Das ist aber auch der Sinn: Soziologie in die Öffentlichkeit zu tragen. Wer alles über CSR aus soziologischer Perspektive sagen möchte, sollte wahrscheinlich ein Buch schreiben.

    Die hier genannten Anmerkungen sind also in der Tat nicht falsch. Allerdings finde ich diese systemtheoretische Vereinfachung von Unternehmen auch nicht ganz koscher – Am Ende des Tages sind es immer Menschen, die Handeln.

    Lieber Gruß,

    Stefan

  2. Das Anliegen, „Soziologie in die Öffentlichkeit zu tragen“, finde ich sinnvoll und begrüßenswert. Nicht umsonst habe ich ein homosociologicus.de-feed-Abo!
    Ein Tipp in dieser Hinsicht auch (falls nicht ohnehin schon bekannt): http://soziologische-aufmerksamkeit.blogspot.com/

    Was Verkürzungen betrifft, stimme ich weitgehend überein: Blogs sind keine Bücher (in der Regel zumindest – Gegenbeispiele findet man sporadisch, leider finde ich den Link zu Fritz B. Simons gebloggtem Bucht nicht mehr). Aber darüber hinaus lässt sich über die Handhabung von Begriffen in zwangsweise zu kurz greifenden Texten natürlich trefflich diskutieren, vor allem, wenn man auf soziologische Grundlagen zurückgreifen kann. Wie unschwer zu erkennen war, sehe ich in systemtheoretisch orientierten soziologischen Analysen genau das Gegenteil von Vereinfachungen, sondern eine in hohem Maße geeignete Form der Komplexitätsreduktion, die sich zur Beschreibung komplexer und kontingenter Phönomene eignet. Das veranlasst mich auch, besonders unter soziologisch getriebenen Beobachtungsverhältnissen, die Rede von „Menschen“ zu vermeiden, da es sich dabei um einen „Kompaktterm“ handelt, der vielleicht humanistisch, aber sicher nicht soziologisch, und auch nicht philosophisch oder biologisch, physikalisch oder sonstwie eindeutig festgelegt ist (zusammengefasst und verkürzt gesagt). Aus dieser Sicht ist gerade der vermeintliche Grundkonsens, dass „es immer Menschen [sind], die Handeln“, die Verkürzung, die zu allzu einfach gestrickten Lösungsformeln führen kann – und das unabhängig davon, ob man es mit einem notwendigerweise vereinfachenden Text zu tun hat, oder nicht. Aber das ist natürlich abhängig von Entscheidungen über theoretische Grundlagen, ein Paradefeld soziologischer Diskussion ;)

    Beste Grüße
    Thomas

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